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Warum sich jede Sau impfen lassen sollte

hektar Redaktion
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Ursula Friedmann hält ein Ferkel

Ursula Friedmann im Interview zum Thema Impfungen bei Schweinen.

Es gibt aktuell kein heißeres Thema als Impfungen. Begriffe wie Vakzine, Antikörper, Infektion und Herdenimmunität haben sich in unserem täglichen Sprachgebrauch eingebürgert. Wenn‘s um die Impfung geht, dann ist sich eine aber ganz sicher, nämlich die Fachtierärztin für Schweine Ursula Friedmann. Obwohl sie auch Schweine-Homöopathin ist (und gerne mal Globuli verabreicht) ist sie der Meinung: Impfen was geht und wo es nötig ist, vor allem bei den Schweindln. Das hat uns doch gleich mal interessiert, also haben wir sie am Bauernhof der Familie Spindler in Hartl in der Steiermark auf einen Plausch getroffen.

„Meinen ersten Betriebsbesuch bei der Familie Spindler hatte ich im Jahr 2000. Da habe ich meinen damaligen Chef begleitet“, erzählt Ursula Friedmann. Seit mehr als 20 Jahren kümmert sie sich bereits um die Gesundheit der Schweine und sagt laut lachend: „Schwein und Wein lass ich niemals sein“. Seit mehr als einem Jahr impft sie die Tiere auch gegen Lawsonien. Warum sie das tut, hat sie uns gemeinsam mit der Landwirtin Christa Spindler verraten.

Christa (links) und Ursula (rechts) im Gespräch mit hektar.at. Bild: @Anja Koppitsch

Christa (links) und Ursula (rechts) im Gespräch mit hektar.at. Bild: @Anja Koppitsch 

hektar: Es gibt derzeit kaum ein Thema, das mehr polarisiert als das Impfen. Du bist eine klare Befürworterin, zumindest bei Schweinen. Warum?

Ursula: Man muss schon sagen, in einem Schweinestall haben wir viele Tiere an einem Standort. Eine Herdenimmunität ist hier deswegen unbedingt notwendig. Ich bin grundsätzlich für das Impfen, weil ich sage, dass Prävention eine gute Investition ist.

Christa: Davon bin ich auch überzeugt. Man überlegt oft, welche Impfungen man weglassen kann, aber da würde man am falschen Ort sparen. Weil wenn es dann „klescht", dann zahlst du doppelt drauf.

Aber welche Vorteile bringt eine Impfung wirklich mit sich?

Ursula: Wenn man ein Saugferkel impft, dann habe ich durch die ganze Mastperiode eine bessere Leistung und damit auch eine bessere Planbarkeit als Landwirtin oder Landwirt und wir müssen weniger Antibiotika einsetzen. Egal ob ich jetzt ein geschlossener Betrieb bin und meine Ferkel selbst mäste oder ob ich Tiere verkaufe. Ein gesundes Ferkel ist das Wichtigste.

Christa: Wir lassen unsere Ferkel seit Mai 2020 gegen Lawsonien (PIA) impfen, weil wir ein Problem mit Durchfall hatten. Unsere Schweine sind auch nicht so gut gewachsen und da hat die Ursula eine Impfung vorgeschlagen. Ein Jahr später ist unser Problem noch nicht ganz weg, aber es hat sich sicher um 90 Prozent verbessert.

Ferkel

Die Probleme im Schweinestall haben sich fast in Luft aufgelöst. Bild @Anja Koppitsch 

Wie zeigt sich das bei euch?

Christa: Die Ferkel fressen viel besser, deswegen ist die Tageszunahme besser. Und weil wir Ferkel ja auch weiterverkaufen, ist es uns wichtig, dass es auch dort passt. Außerdem müssen wir jetzt keine Antibiotika mehr verabreichen. Wenn wir Antibiotika einsetzen, dann gezielt bei einzelnen Tieren.

Ursula, welche Impfungen empfiehlst du konkret? Und weshalb? 

Ursula: Grundsätzlich ist es in Österreich so, dass fast alle Ferkel, die vermarktet werden, flächendeckend gegen Mykoplasmen und Circoviren geimpft werden. Eine Lawsonien-Impfung ist auf manchen Betrieben eine sinnvolle Ergänzung. Es gibt aber viele verschiedene Impfungen und das schaue ich mir für jeden Betrieb individuell an. Es gibt Betriebe, die haben Probleme mit APP, das ist eine Infektion mit Actinobacillus Pleuropneumoniae, da hilft beispielsweise eine Impfung. Es gibt Impfstoffe gegen die Glässersche Krankheit und Coli-Durchfälle. Ich mache also verschiedene Untersuchungen am Hof: Blutproben, Kotproben, seziere Tiere oder nehme Nasentupfer. Nach der Diagnostik stelle ich das jeweilige Impfprogramm für jeden Betrieb individuell zusammen.

Das heißt, die Ferkel kriegen dann eine Spritze nach der anderen?

Ursula: Das ist ja das Schwierige. Das Schwein hat nur einen Nacken und wird am Ohrgrund zumeist intramuskulär geimpft. Mittlerweile gibt es auch andere Methoden, wie beispielsweise eine intradermale Impfung, bei der der Impfstoff mit Druck direkt in die Lederhaut appliziert wird. Ohne Nadel und ohne Stich. Das ist besser für das Tierwohl, weil es weniger schmerzhaft ist. Worauf wir natürlich schauen, ist, dass wir so viele Impfungen wie möglich am selben Tag verabreichen. Alle Impfstoffe, die man kombinieren kann, sind natürlich von Vorteil für das Ferkel. Da gibt es auch ein paar Kombinationsimpfungen, zum Beispiel kann die Lawsonia Impfung mit der Myco-Circo Impfung gemischt werden. Das wird auch die Zukunft sein: Möglichst viele Impfungen vereinen, möglichst wenige Stiche, wenn möglich intradermal. Unter bestimmten Bedingungen dürfen auch die Landwirtinnen und Landwirte selbst impfen.

Bäuerin impft ihr Ferkel.

Christa impft ihre Ferkel selbst. Bild: @Anja Koppitsch 

Ab welcher Bestandsgröße sind welche Impfungen empfehlenswert, damit es sich auch wirtschaftlich rentiert? Gibt’s da eine Faustregel?

Ursula: Ich betreue Betriebe von zwei Sauen bis 1200 Muttersauen. Also ich habe das gesamte Portfolio vom Freilandbetrieb bis zum Großbetrieb. Und wenn die Tiere eine gute Leistung bringen sollen aber sie hin und wieder erkranken, und ich weiß um welche Erreger es sich handelt, zahlt sich das Impfen sogar beim Kleinstbetrieb aus.

Christa: Weil auch wenn ich drei Sauen hab und da verenden zwei, ist es schade drum. Mein Mann fragt mich auch immer, ob wir das wirklich brauchen, aber ich stehe im Stall bei den Jungsauen und weiß, vorsorgen ist besser als heilen. Das ist dann schnell einmal eine Kettenreaktion und dann geht’s rund.

Ursula: Eine Impfprophylaxe ist immer zielführend und ökonomischer, als im Krankheitsfall mit Antibiotika zu therapieren.

Was kann man für einen gesunden Bestand und eine optimale Futterverwertung sonst noch tun? 

Ursula: Die Hauptthemen sind eigentlich Wasser und Futter. Weil Wasser ist das wichtigste Lebensmittel. Punkt B ist die Fütterung, die Rezeptur wird am Papier berechnet und die berechneten Nährstoffe stimmen nicht immer mit den tatsächlichen Nährstoffen überein. Auch Mykotoxine sind ein Thema. Das sind Gifte, die zum Beispiel von Feldpilzen produziert werden, die wir dann im fertigen Futter nachweisen können. Das beeinträchtigt dann das Immunsystem der Schweine. Auch die Vermahlung der Futtermittel ist ganz wichtig. Wenn das Futter zu fein ist, können die Tiere Durchfall oder Magenblutungen, beziehungsweise Magengeschwüre, kriegen, sie fressen weniger und so weiter.

Würdest du also sagen, dass ein ungeschütztes Schwein eine arme Sau ist?

Ursula: Ja, im wahrsten Sinne des Wortes.